Faszinierend, kontrovers, bereichernd – Götz Aly in Ettersburg

Von Christian Rimestad und Nicolas Frericks |

„Wie konnte das geschehen? Deutschland 1933 bis 1945“ ist nicht nur der Titel eines Buchs des Historikers Götz Aly, eines bedeutenden Experten für den Nationalsozialismus und dessen Antisemitismus, sondern auch eine Schlüsselfrage der Forschung darüber. Da uns als Geschichts-Leistungskurse diese Frage ebenfalls sehr beschäftigt, war sein Vortrag für uns eine willkommene und spannende Ergänzung zum Unterricht. So trafen wir uns gemeinsam mit unseren Geschichtslehrer*innen Frau Gläßer und Dr. Heyn am 11.11. um 19 Uhr in Schloss Ettersburg, um dem Gespräch über sein letztes großes Alterswerk, versehen mit vielen faszinierenden Thesen, beizuwohnen.

Diese Thesen waren jedoch keineswegs verstaubtes Lehrbuchwissen, sondern höchst spannende und bisweilen polarisierende Denkanstöße, die uns eine völlig neue Perspektive auf die Dynamik der Diktatur eröffneten. Besonders einprägsam waren etwa die Aussagen, dass der Zweite Weltkrieg erst die Grundlage weiterer Verbrechen geschaffen habe oder dass die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie zunächst durch Vorfreude, dann durch Furcht und schließlich durch die Todesangst der Bevölkerung vor der Niederlage angetrieben worden sei.

Auch die anschließende Fragerunde des Publikums an Götz Aly war für uns sehr interessant, und wir beteiligten uns aktiv daran. Nachdem sie beendet war, überreichte er uns ein signiertes Exemplar des genannten Buches für unsere Schulbibliothek.

Generell hat die Veranstaltung großes Interesse in beiden Geschichtskursen geweckt. Besonders eindrücklich war für uns der Perspektivwechsel hin zur Sicht der breiten Bevölkerung auf die Entwicklungen und Verbrechen des Nationalsozialismus. Für Götz Aly ist es typisch, sich mit der „Täteridentität“ und der Perspektive der Mehrheit zu beschäftigen, statt sich ausschließlich mit den Opfern zu identifizieren, da dies meist nicht der familiengeschichtlichen Realität der Deutschen entspreche. Seine Thesen führten zu regen Diskussionen im Unterricht, die uns sicher noch lange begleiten werden.

Besonderes Diskussionspotential bot vor allem die These, die Nationalsozialisten hätten sich das passive Verhalten der deutschen Öffentlichkeit unter anderem durch soziale Wohltaten erkauft. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Wissenschaftlern misst Aly der ideologischen Komponente eine geringere Bedeutung in der Betrachtung der nationalsozialistischen Diktatur bei. Ein Denkansatz, der auch in unseren Kursen für Kontroversen sorgte.

Alles in allem war der Vortrag von Götz Aly eine faszinierende und bereichernde Erfahrung für uns. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass er in Zukunft das FSG besucht, um sich erneut den Fragen wissbegieriger Schüler*innen zu stellen.